Ankommen im eigenen Körper und wie ich meinen Weg zu mir fand

Oder: Glaube nicht immer alles, was Du denkst

 

Als Kind dachte ich immer, ich sei dick.
Das bin ich mit 9.

Ganz ehrlich, ich sehe da kein dickes Kind. Nicht mal ein „stark gebautes“.

Katharina mit 9 auf Amrum
Ganz frisch aufgenommen auf Mallorca

Das bin ich heute. Mit 46.
Ich habe mich noch nie so wohl gefühlt in meinem Körper.

Trotz Dehnungsstreifen, Dellen an den Schenkeln und einer Kaiserschnittnarbe.
Und ja, ein Bleistift hält, wenn man ihn unter meinen Busen legt.

Ich bin aufgewachsen inmitten von Frauen, die „zu viel“ gewogen haben und irgendwer hat immer gerade eine Diät gemacht.
Eine meiner Omas war sogar adipös und hat in der Konsequenz ihr Leben mit Anfang 70 aufgrund ihres starken Übergewichts dran gegeben.

Bei uns in der Familie wurde gefastet, es gab Entlastungstage mit Reis und Apfel, es wurde getrennkostet, Kohlsuppen-diätet und sowieso: irgendwer war immer zu dick und es wurde darüber gesprochen. Man könnte auch sagen: Gelästert.
Daher glaube ich, dass ich damals als kleines Mädchen einfach den Eindruck haben musste: Ich bin auch dick. Mit mir stimmt, zumindest optisch, etwas nicht.
Ich fühlte mich anderen im Aussehen ständig unterlegen.
ALLE waren schöner als ich.

Irgendwann folgte meinem Glauben die Realität.
Ich wog knapp 90 Kilo bei 1,75 Körpergröße. Wenigstens wars immer gut verteilt, redete ich mir ein. Es war einfach überall „zu viel“.
In der fragilen Zeit der späteren Teenagerjahre.
Direkt nach der Schule zog ich aus. In die weite Welt.
Zuerst nach England als Au-pair.
Es war die Hölle.
Essen mein Himmel.
Irgendwann erkannte ich: Je mehr ich esse, desto unbequemer meine Kleidung, die Ende der 90er noch kein Alles-mit-Elastahn-Wahn wie heute hatte.
Für Sport war ich schlicht zu faul.
Also erinnerte ich mich an die vielen “tollen“ Diäten, die es so gab.
Und begann mich zu quälen.
5 Tage Herzdiät mit guten Erfolgen, die sich in den verlorenen Kilos maßen, um danach wieder reinzuhauen.
Ja, es gab auch Zeiten in denen ich mich sinnlos überfraß um dann alles wieder auszuk**zen.

Irgendwann hatte ich die Schnauze voll.
Der Kreislauf war zu beschi**en.

Ich stand nach einigen Jahren Weltreise und diversen Versuchen meine berufliche Laufbahn zu finden, vor meinem Studium und wollte das so nicht mehr.
Also begann ich FDH, wie es heute heißt, Intervallfasten und aß nach 17 Uhr nichts mehr.
Ich wurde schlanker.
Irgendwann stand wieder die 7 vor der 9.
Dann mein Teenagergewicht mit 72.
Dann rutschte ich unter sie 7.
Was für ein Gefühl!
Jetzt ist gut.
So wenig hab ich noch „nie“ gewogen.
Dann ging’s Richtung 65.
Und DANN wollte ich es wissen! Gehen 59?
Da hatte der Spaß dann ein Loch, denn mein Körper fühlte sich total wohl mit allem zwischen 64 und 66 Kilo.

Das alles passierte über knapp 3 Jahre.
Stück für Stück.

Ich hatte damals meine Abnehmjeans, die mich begleitete. Eine Levi’s 501 OHNE Stretch.
Größe 29.
Am Anfang ging sie bis zum Knie, dann drüber, dann bis unter den Po, dann drüber und irgendwann ging ein Knopf zu und dann alle.
Ich sparte 1000€ DM, die ich dann in Berlin im Peek & Cloppenburg 2001 in eine neue Garderobe investierte.
Beim Anprobieren musste ich immer wieder die passende Größe holen, da ich zu große Sachen mitnahm. Kopf und Körper waren noch nicht in tune … das dauerte.
Bei Besuchen meiner Heimatstadt in den Semesterferien begegnete ich Leuten, die ich schon längere Zeit nicht mehr gesehen habe, und manche waren überrascht. So wie ich auch.
Auch wenn gewisse Aussagen einen sehr komischen Beigeschmack hinterließen.

„Was ist denn mit Dir passiert? Du hast ja nen richtig kleinen, geilen Arsch! Jetzt kann man Dich anschauen” hieß es von Norbert, einem unterdurchschnittlich attraktiven Typen.

Und einer der einprägsamsten Aussagen nach Verlust meiner rund 25 Kilo, war der eines Barkeepers, der mein Vater hätte sein können und selbst eine Tochter in meinem Alter hatte:
„Früher sahst Du aus, wie ein voll geschi**ener Strumpf. Aber jetzt: Echt gut.“

Nun denn.
Unabhängig von der Außenwelt FÜHLTE ich mich gut.
Leicht.
Agil.
Ich hatte den Eindruck, dass mein Körper und ich so langsam „eins“ werden.
Nichtsdestotrotz: Die meisten anderen waren immer noch schöner als ich.
Es gab einfach zu viele Dinge, die ich nicht mochte.
Meine Hände, auf die ich gerne als „Klodeckel“ referenziert habe.
Meine Kartoffelnase und mein Mondgesicht, wie mir damals, wenig charmant, Florian in der 5. Klasse attestierte.

2009 sollte sich das einigermaßen schlagartig ändern. Frank, ein damals guter Freund sagte: „Ich mag deine Hände.“
Ein Satz, der Welten bewegen sollte. In so vielen Aspekten.
Ein Satz, der in der Folge nicht nur mir, sondern Tausenden von Frauen, die mit mir arbeiten, zu einem neuen, schöneren, friedvolleren Umgang mit sich selbst verhalf.

Dieser Satz war der Auslöser, mich neu zu sehen. Und ALLES, wirklich ALLES was ich bis dato über mich geglaubt habe auf den Kopf zu stellen.
Was, wenn all die Geschichten, die ich mir über mich, meinen Körper, mein Aussehen erzähle, nicht stimmen?
Und so drehte ich in den folgenden paar Jahren mein inneres Bild um 180 Grad. Ja, manchmal fiel ich zurück auf 90 Grad, dann justierte ich wieder neu und trainierte den „Ich find mich gut Muskel“.

Ich begann Sport zu machen und laufen zu gehen. Zum ersten Mal, mit 32!
Ich begann mich und die Stellen, die ich selbst gut fand, in den Fokus zu stellen.

2012 begann mein Weg, anderen Frauen zu helfen, in Einklang mit sich zu kommen. Zuerst mittels passender Outfits und in der Folge im Herausfinden der eigenen Identität.

Die Moral von der Geschicht:

Glaub Deinen eigenen Geschichten manchmal nicht.
Zumindest nicht, wenn sie Dir unreflektiert irgendwas erzählen, was vielleicht gar nicht Deins ist.
Sondern die Geschichten Deines (unzufriedenen) Umfelds.

Sich selbst wohlfühlen und gut auszusehen ist keine Frage des Gewichts oder der richtigen Nasenform.
Ich kenne Frauen mit Füllekörper jenseits der 100 Kilo, die strahlen, toll aussehen, sich und ihren Körper wunderbar in Szene setzen.
Ich kenne Frauen mit Konfektion 34/36, die trotz Knackarsch, schlanker Figur, gemachter Oberweiter, gespritzten Lippen und zusätzlich eingesetzten Haaren unzufrieden sind und genau das auch ausstrahlen.

Schön ist, was Du denkst.
Also setz Dich hin oder geh laufen und finde Dich schön.

Bei mir hat’s funktioniert.
Und ja, es war EIN Weg.

Gehst Du mit?

2 Antworten

  1. Liebe Frau Maier, vielen lieben Dank für die offenen Worte welche ins Herz treffen und für mich ein Wegweiser sind, denn Selbstliebe und Annahme sind das wichtigste……auf in ein neues Leben:)

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